Sozialer Dreiklang
Materielle Hilfe, persönlicher Einsatz, Netzwerk –
ein Dreiklang sozialen Engagements
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
zur Weihnachtszeit 2010 – habe ich mich endlich entschlossen, ein Vorhaben, mit dem ich schon lange schwanger ging, in die Tat umzusetzen.
Die Katastrophenmeldungen hatten mir auch in diesem Jahr wieder vor Augen geführt, in welch glücklichen Teil der Welt ich hineingeboren wurde. Haiti war von einem Erdbeben verwüstet und Pakistan
wurde von verheerenden Regenfällen überflutet. Und immer waren es insbesondere die Schwächsten, nämlich die Kinder, die unter diesen Unglücken am meisten zu leiden hatten. Natürlich ist der erste
Reflex immer Sofort-Hilfe. Also suchte ich mir eine Hilfsorganisation, die vor Ort tätig war und überwies einen Betrag x. Trotzdem behielt ich ein ungutes Gefühl. Reicht das? Immer dann zu
spenden, wenn das Fernsehen über eine akute Katastrophe berichtet?
Oder beruhigt man damit nicht nur sein schlechtes Gewissen, um kurz darauf wieder zum Alltag überzugehen? Gibt es nicht unendlich viel Elend auf der Welt, auch wenn es gerade nicht aus aktuellem
Anlass über unsere Mattscheiben flimmert? Ist das Leiden nicht mehr da, bloß weil wir es nicht sehen? Und womit habe ich es eigentlich verdient, in all dem Luxus zu leben, der mich umgibt? Ja, es
ist Luxus. Auch wenn ich nicht in einer Villa lebe, eine Nobelkarosse fahre oder jedes Jahr zwei Kreuzfahrten buche.
Viele Dinge, die wir gar nicht mehr bewusst wahrnehmen, weil sie so normal für uns sind, sind in Wahrheit absoluter Luxus. Leider fehlt es uns oft an Achtsamkeit, um das auch nur
wahrzunehmen, geschweige denn - dafür dankbar zu sein.
Und, seien wir ehrlich: keiner von uns hat viel dazu beigetragen, dass er in diesem Teil der Welt, also auf der Insel der Seligen geboren wurde. Es ist pures Glück, dass meine Wiege in
München und nicht in Mogadischu stand.
Es ist Luxus, den Wasserhahn aufzudrehen und frisches sauberes Wasser zu haben.
Es ist Luxus, jederzeit das Haus verlassen zu können, ohne die Angst, ausgeraubt oder umgebracht zu werden.
Es ist Luxus, jeden Tag vor vollen Schaufenstern zu stehen, und sich zu fragen, auf welche Brotsorte man denn heute Lust hat.
All das wurde mir Weihnachten 2010 so richtig bewusst und ich fragte mich, ob ich der Gesellschaft und der Welt nicht etwas schuldig wäre. Zumindest einen kleinen Teil des Glücks, wollte ich
zurückgeben. Aber wie? Wie erreicht man mit bescheidenen Mitteln die Größte Wirkung? Es müsste eine Art „Schneeballsystem“ sein, in dem aus einem kleinen Anstoß etwas Größeres werden kann. Ich
brauchte Multiplikatoren. Und wer sollte das anderes sein, als Kinder und Jugendliche. Kinder, die vielleicht nicht das gleiche Glück hatten, wie ich aber deswegen auch keine schlechteren
Menschen sind. Und die, wenn man ihnen die Chance gibt, vielleicht eines Tages ein Vielfaches zurückgeben könnten?
Also machte ich mich auf die Suche. Hier erfüllte das Internet, das mir sonst nur Zeit stiehlt, endlich mal einen guten Zweck. Ich suchte eine Hilfsorganisation, die Kindern und Jugendlichen aus
problematischen Verhältnissen hilft. Ihnen eine Chance auf ein lebenswertes Leben gibt. Und weil es mir wichtig war, nicht nur einen Scheck zu unterschreiben, sondern auch hautnah zu sehen und zu
erleben, was mit dem Geld passiert, suchte ich eine Organisation in München. Ich wollte mich nicht nur materiell einbringen, sondern - soweit gewünscht - auch aktiv mit Rat und Tat zur Seite
stehen.
Bereits nach kurzem Stöbern stieß ich dann auf Andrea Aigners TEVANKO Stiftung. Sie hatte mit ihrer Mutter diese kleine Stiftung ins Leben gerufen, die genau die Ziele verfolgt, denen auch ich
mich verpflichtet fühle. Kurz nach einem ersten Kennenlerngespräch war die Entscheidung gefallen. Insbesondere der persönliche Einsatz, den Andrea Aigner an den Tag legte, um Menschen, die sie
kaum kannte von ihrer Idee zu überzeugen, imponierte mir. Es zeigte mir einmal mehr, dass neben materiellen Mitteln auch die Bereitschaft, sich selbst zu engagieren und seine kostbare Zeit
einzubringen, nötig ist. Wir vereinbarten also eine langfristige Zusammenarbeit.
Andrea Aigner stellte mir ihre Projekte vor. Insbesondere die Organisation „ghettokids e.V.“
(www.ghettokids.org), das von Susanne Korbmacher im Jahre 2000 initiierte Projekt zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus sozial
schwachen Familien im Münchner „Problemviertel“ Hasenbergl. Hier werden Kinder gefördert, die es in einem der reichsten Länder der Welt eigentlich gar nicht geben dürfte. Kinder, die einfach
nicht das Glück hatten, in eine intakte Familie, ohne finanzielle Probleme hineingeboren zu werden. Kinder, deren Eltern aus unterschiedlichsten Gründen mit der Erziehung überfordert sind.
Kinder, die wie alle anderen das Potential haben, ein geordnetes Leben zu führen, deren Zukunft aber ohne Hilfe düster wäre.
Es sind diese Kinder und Jugendlichen, die - ohne Hilfe - irgendwann ohne Schulabschluss, mit Alkohol- und Drogenproblemen den Anschluss an die Gesellschaft verlieren. Deren Frust und
Hoffnungslosigkeit dann schlimmstenfalls dazu führen, dass sie sich in irgendeinem U-Bahnhof einen Schwächeren suchen, um zu zeigen, dass es wenigstens eine Sache gibt, die sie besser können –
nämlich Zuschlagen. Diese Kinder suchen sich diesen Weg nicht freiwillig aus.
Wir sind es, wir die Gesellschaft, die sie auf diesen Weg zwingen. Kein Baby kommt als geborener Schläger zur Welt. Es ist immer die Umwelt, die sie zu dem macht, was sie sind.
Und deswegen ist es unsere Schuld und unsere Verantwortung, etwas zu tun, damit diese Gesellschaft nicht noch weiter auseinanderfällt. Der Staat allein, scheint damit überfordert zu sein und
fällt daher als Entschuldigung für ein reines Gewissen aus (nach dem Motto: ich zahle schließlich Steuern, das muss reichen).
Andrea Aigner plante, einigen Mädchen und Jungs von „ghettokids e.V. “ einen Selbstverteidigungskurs anzubieten. Sie sollten zum Einen angeregt werden, sich sportlich zu betätigen und zum Anderen
Stärke und Selbstbewusstsein entwickeln. Aus Erfahrung weiß man: nur der Feigling schlägt auf Schwächere ein.
Also stellte ich einen Kontakt zwischen Andrea Aigner und meinem Freund und Lehrer Sinan Ünal, von der Münchner Kampfkunstschule Shaolin-Quan (www.shaolin-quan.de) her. Sinan Ünal kann sich sehr gut in die Lage der Kids versetzen. Schließlich stammt er selbst aus einer Migranten-Familie und kennt die Probleme der Kinder
(Sprach-, Schul- und Akzeptanzprobleme) aus eigener Erfahrung.
Er erklärte sich spontan bereit, einer Gruppe von zwölf Kindern und Jugendlichen Sonderkonditionen einzuräumen. Seitdem werden sie in seiner Schule zweimal wöchentlich unterrichtet. Sie erhalten
dadurch nicht nur die Möglichkeit, aus ihrem Stadtviertel herauszukommen und ein wenig „andere Luft zu schnuppern“, sondern erhalten eine fundierte Ausbildung in chinesischer Kampfkunst,
inklusive der so wichtigen ethischen Richtlinien.
Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Respekt, Ehrlichkeit, Zivilcourage. All das sind Werte, auf die die klassische Shaolin-Ausbildung mindestens ebensoviel Wert legt, wie auf die körperlichen und
kämpferischen Aspekte. Am Ende sollte ein gefestigter Charakter stehen, der mit den Problemen des Lebens umzugehen weiß.
Daneben spielt natürlich das Thema Berufsausbildung eine große Rolle bei der Förderung sozial benachteiligter Kinder. Leider schrecken viele Unternehmen davor zurück, Jugendlichen eine Chance zu
geben, wenn sie auch nur das kleinste Risiko befürchten. Doch gerade hier liegen sehr viele Potentiale brach, weil Talente nicht erkannt und gefördert werden.
Es passt für mich einfach nicht zusammen, immer wieder den Facharbeitermangel zu beklagen, gleichzeitig aber bei der Ausbildung im eigenen Betrieb vor den kleinsten Hindernissen
zurückzuschrecken. Natürlich kostet es ein wenig Zeit, Geduld und vielleicht auch ein wenig Geld, einem weniger qualifizierten Jugendlichen eine Chance zu geben. Aber oft lohnt es sich für den
eigenen Betrieb. In jedem Fall aber für die Gesellschaft. Es ist erstaunlich zu erleben, wie Jugendliche aufblühen, wenn sie, etwa im Rahmen eines Praktikums erfahren, dass sie „etwas wert“ sind
und dass man sich vorstellen könnte, ihnen einen Ausbildungsplatz anzubieten.
Im Jahr 2011 konnten Sinan Ünal und ich insgesamt sieben Schülern von Frau Susanne Korbmacher einen Praktikumsplatz anbieten. Eines der Mädchen hat inzwischen einen regulären Ausbildungsplatz zur
Groß- und Außenhandelskauffrau angenommen.
Und an dieser Stelle komme ich zurück auf meine ursprüngliche Absicht: die Multiplikatoren. Sicher ist es zunächst nur eine Hoffnung, aber ich bin sehr guter Dinge, dass zumindest eines der
Kinder, denen Andrea Aigner, Susanne Korbmacher, Sinan Ünal und ich in diesem Jahr in der einen oder anderen Art helfen konnten, seinen Weg machen wird. Und – davon bin ich überzeugt -
dieses eine Kind, wird sich später einmal an die Hilfe zurück erinnern und – so hoffe ich – auch etwas zurückgeben wollen. Und wenn es nur eine achtsame Erziehung der eigenen Kinder sein sollte,
so ist bereits sehr viel gewonnen.
Hilfe ist in unendlich vielen Bereichen bitter nötig. Sie muss nicht unbedingt aus Geld bestehen. Persönlicher Einsatz, ein wenig Zeit oder vielleicht nur ein Kontakt zu einem Bekannten, den man
vermittelt. All dies kann sehr viel bewirken.
In diesem Sinne möchte ich Sie alle ermutigen: Machen Sie sich den Luxus, in dem Sie leben, bewusst. Denken Sie an diejenigen, die weniger Glück hatten. Überlegen Sie, in welcher Art und Weise
Sie vielleicht ein klein wenig zurückgeben könnten und schließlich:
Wenden Sie sich an Andrea Aigner unter: info@tevanko.de
Danke für Ihr Interesse!